Theodor Adorno - Negative Dialektik by Theodor Adorno

Theodor Adorno - Negative Dialektik by Theodor Adorno

Autor:Theodor Adorno
Die sprache: eng
Format: epub
Tags: adorno negative dialektik marxismus


Potential der Freiheit

nicht jene objektive Geltung zukommt, die es im Wirkungszusam-menhang der psychologischen Motivation beansprucht, wieder-holt und befestigt innerhalb der Psychologie die Irrationalitaten, mit denen »aufzuraumen« jene sich stark machte. Was jedoch im jiingsten Zeitalter sich zutragt, ist die VerauBer-lichung des Oberichs zur bedingungslosen Anpassung, nicht seine Aufhebung in einem vernunftigeren Ganzen. Die ephemeren Spu-ren von Freiheit, die Sendboten der Moglichkeit an das empi-rische Leben, werden tendenziell seltener; Freiheit zum Grenz-wert. Nicht einmal als komplementare Ideologie getraut sie recht sich vor; die Verfugenden, die mittlerweile auch die Ideologie mit fester Hand verwalten, trauen der Freiheit als Propa-gandatechniker offenbar wenig Zugkraft mehr zu. Sie wird ver-gessen. Unfreiheit vollendet sich in ihrer unsichtbaren Totalitat, die kein DrauBen mehr toleriert, von dem aus sie zu erblicken und zu brechen ware. Die Welt wie sie ist wird zur einzigen Ideologie und die Menschen deren Bestandteil. Auch darin noch waltet dialektische Gerechtigkeit: sie ergeht ubers Individuum, den Prototyp und Agenten einer partikularistischen und unfreien Gesellschaft. Die Freiheit, auf die es fur sich hoffen muB, ktinnte nicht bloB seine eigene, sie miiBte die des Ganzen sein. Kritik am Individuum fuhrt iiber die Kategorie der Freiheit so weit hinaus, wie diese nach dem Bilde des unfreien Individuums geschaffen ist. Der Widerspruch, daB fur die Sphare des Individuums keine Willensfreiheit und darum keine Moral sich verkiinden laBt, wahrend ohne sie nicht einmal das Leben der Gattung bewahrt werden kann, laBt nicht durch den Octroi sogenannter Werte sich schlichten. Hir heteronomes Gesetztsein, die Nietzscheschen Neuen Tafeln waren von Freiheit das Gegenteil. Jene muB aber nicht bleiben, worin sie entsprang und was sie war. Vielmehr reift in der Verinnerlichung gesellschaftlichen Zwangs zum Gewissen mit dem Widerstand gegen die gesellschaftliche Instanz, der jene am eigenen Prinzip kritisch miBt, ein Potential heran, das des Zwangs ledig ware. Kritik des Gewissens visiert die Rettung sol-chen Potentials, doch nicht im psychologischen Bereich sondern in der Objektivitat eines versohnten Lebens von Freien. Konver-giert schlieBlich die Kantische Moral, scheinbar wider ihren rigo-rosen Anspruch auf Autonomie, mit der Guterethik, so behauptet

Potential der Freiheit

darin der durch keine begriffliche Synthesis zu uberbriickende Bruch zwischen dem gesellschaftlichen Ideal und dem subjektiven der selbsterhaltenden Vernunft sein Wahrheitsrecht. Der Vor-wurf, in der Objektivitat des Sittengesetzes spreize einzig die subjektive Vernunft zum Absoluten sich auf, ware subaltern. Kant spricht, fehlbar und entstellt, aus, was gesellschaftlich mit Grund zu fordern ware. Solche Objektivitat ist so lange nicht in die subjektive Sphare, nicht die der Psychologie und nicht die der Rationalitat, zu ubersetzen, sondern existiert zum Bosen und Guten getrennt von ihr fort, bis besonderes und allgemeines In-teresse real zusammenstimmen. Das Gewissen ist das Schandmal der unfreien Gesellschaft. Das Arcanum seiner Philosophie war Kant notwendig verborgen: daB das Subjekt, um, wie er es ihm zutraut, Objektivitat konstituieren oder sich in der Handlung objektivieren zu konnen, immer auch seinerseits ein Objektives sein muB. Im transzendentalen Subjekt, der als objektiv sich aus-legenden reinen Vernunft, geistert der Vorrang des Objekts, ohne den, als Moment, auch die Kantischen objektivierenden Leistun-gen des Subjekts nicht waren. Sein Begriff von Subjektivitat hat im Kern apersonale Ziige.



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